Jetzt schlägt's Taiko!
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Anmerkung Mai 2017: Bereits Ende 2016 erfuhr ich, dass sich die Deutsche Taiko Foundation (DTF) aufgelöst hat. Die Gruppe Haguruma Daiko Deutschland unter ihrem Leiter Peter Markus - die treibende Kraft hinter der DTF - hat sich 2017 ebenfalls aufgelöst. Einserseits ist der folgende Text damit natürlich gegenstandslos. Andererseits sind die hier genannten Personen, Gruppen und Institutionen natürlich nicht schlagartig vergessen. Im Sinne einer Fortschreibung der Taiko-Geschichte wird folgender Text hier weiter zu lesen sein.

Mai 2012, Oliver Boldt

Zum Austritt aus der Deutschen Taiko Foundation (DTF)

Unsere Gruppen Yo Bachi Daiko und Taikonauten Seevetal haben im Mai 2012 die Deutsche Taiko Foundation verlassen. Da ich weiß, dass unsere DTF-Mitgliedschaft innerhalb der Taikoszene durchaus wahrgenommen wurde, halte ich es für notwendig, auch einige Informationen über unseren Austritt zu veröffentlichen.

Dass Yo Bachi Daiko 2008 Gründungsmitglied der DTF wurde, lag vor allem daran, dass unsere Taiko-Workshopreihe (1998 bis 2011) lehrerseitig an die DTF-Mitgliedschaft gekoppelt wurde. Ein generelles Interesse an Verbands- und Vereinsmeierei hat unsererseits nie bestanden. Ganz im Gegenteil: wir hatten immer die Befürchtung, mit anderen pauschal in "einen Topf geworfen zu werden".

Wenn man unseren Austritt verstehen will, muss man wissen, wofür wir im Taiko stehen.

Ich (bzw. wir) habe mich immer sehr für die geschichtlichen Hintergründe interessiert. Grundsätzlich drehte es sich um die Frage, was traditionelles und modernes Taiko eigentlich genau ist - Begriffe, die oft zu hören sind. Bei Reisen in die USA (Besuch San Jose Taiko), England (U.K. Taikofestival u.a.), Japan (Miyake-Taiko Workshop u.a.) und Workshopteilnahmen bei japanischen Lehrern in Deutschland, habe ich immer die Zeit auch für Nachforschungen genutzt.

Wenn man das traditionelle und moderne Taiko verstehen will, muss man wissen, welche starken Einflüsse ab den 1950er Jahren auf das Taiko eingewirkt haben. Mein erstes Taikokonzert war Kodo ca. 1997. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte ich mich bereits mit der traditionellen westafrikanischen Djembe-Percussion und hatte anfangs angenommen, dass Kodo traditionell sei. Dass dem nicht so ist hat sich natürlich aufgeklärt.

“Die Taiko ... hat zugleich uralte japanische Wurzeln und ist trotzdem komplett modern.” Quelle “Kodo Beat” Nr. 57

“Exploring the limitless possibilities of the traditional Japanese drum, the taiko, Kodo is forging new directions for a vibrant living art-form.” Quelle: Kodo Website

Mir persönlich war es immer egal, ob Taiko nun traditionell oder modern ist - ich wollte es nur möglichst genau wissen. Wichtig war, ergebnisoffen zu sein, also das Taiko so zu nehmen wie es ist. Als Nicht-Japaner außerhalb Japans sollte das eigentlich selbstverständlich sein. Ich war anfangs überrascht, als sich einige "traditionelle Taiko-Stücke" als moderne Stücke von zeitgenössischen Komponisten herausstellten. Mittlerweile ist klar, dass neben den historischen Stücken wie z.B. "Hachi Jou", "Miyake", "Yatai Bayashi" das gesamte im Umlauf befindliche Taiko-Repertoire modern ist.

Damit stellt sich die Frage, wieso einige ständig auf dem Thema Tradition herumreiten.

“Wieso reden hier alle von Tradition? In Japan ist das nicht so”. Quelle: Japanischer Lehrer auf einem DTF-Workshop im Gespräch mit uns.

In der Satzung der DTF heißt es:

"Der Verein bezweckt den Erhalt und die Pflege des traditionellen japanischen Trommelns (Taiko)... "

Das wäre natürlich zu begrüssen. Tatsächlich ist das Repertoire, das die DTF-Gruppen spielen, genauso modern wie das von anderen Taiko-Gruppen. Wenn man sich die guten Gruppen aus Japan, USA, England anschaut, kann man feststellen, dass diese Gruppen ihr eigenes Repertoire komponieren und ggf. durch einige traditionelle Taikostücke ergänzen. In Deutschland ist es tendenziell der "Import von Taikostücken aller Art", der das Repertoire bestimmt. In dem Taiko-Community-Forum (auf Facebook) gab es 2011 eine Anfrage: "Gibt es eigentlich Taiko Cover-Gruppen?" Die Antwort von Shoji Kameda (Komponist von z.B. 'Omiyage'): "Die meisten Taiko-Gruppen sind Cover-Gruppen" und "des einen Komposition ist des nächsten Tradition". Ferner wurde bedauert, dass zwar fertige Kompositionen aus Japan importiert werden, nicht aber der kreative Prozess der diese Stücke hervorgebracht hat.

Im April 2012 lernten wir einen im deutschsprachigen Raum lebenden Japaner kennen, der Taiko in Japan innerhalb der traditionellen Matsuri-Kultur von seinem Großvater erlernt hatte. Begeistert erzählte er von den belebten Matsuris und wie auf den Taikos improvisiert wird. Eine Taikogruppe, die er hierzulande sah, fand er wenig lebendig und verglich sie wörtlich mit "einer Marschkapelle".

Leider ist über das traditionelle Taiko zu wenig bekannt. Erschwerend kommt hinzu, dass hierzulande das moderne Taiko auch noch als traditionell verklärt wird. Und die Treiber dieser Verklärung sind dejenigen, die sich selbst als traditionell definieren und in ihrer Anmaßung das Bild vom Taiko so hindrehen, wie es ihnen gefällt.

Für mich ist das traditionelle Taiko genau so gut wie das moderne Taiko - jedes auf seine Weise. Einserseits improvisiere ich gerne (sozusagen der "Matsuri"-Aspekt). Andererseits unterrichten wir gerade Eigenkompostionen in unseren Dojos und beteiligen uns so am modernen künstlerischen Diskurs wie er in Japan stattfindet. Das ist viel befriedigender und ehrlicher, als nur moderne Kompositionen zu importieren.

"... Ich kann verstehen, dass sich die Menschen, die das Wadaiko mögen, von der modernen Art des Trommelns angezogen fühlen, aber ich würde es begrüßen, wenn sie sich mehr auf den Basisweg des Wadaiko und dessen Geist konzentrieren würden. Wenn sie dies langweilig finden, sind sie für das Wadaiko nicht geeignet." Quelle: Eitetsu Hayashi, März 2011, auf eine Anfrage, sein Stück "Omi no Hojo" lernen zu dürfen.

Auf keinen Fall möchte ich (bzw. wir) die DTF-Mitglieder pauschal kritisieren. Aus persönlichen Gesprächen weiß ich, dass viele DTF-Positionen kritisch gesehen werden. Am Fortbestand unserer teils langjährigen Kontakte sind wir weiterhin interessiert.

Ich und meine Gruppe stehen dafür, das traditionelle und moderne Taiko sachlich und ohne Anmaßung darzustellen und zu kultivieren. Leider musste ich erkennen, dass dies mit unserer DTF-Mitgliedschaft nicht vereinbar ist.

Hinweise:

1. Dieser Text wurde ausschließlich von mir, Oliver Boldt, erstellt. Die "offizielle" Austrittsbegründung wurde von den Yo Bachi Daiko Mitgliedern an die DTF-Mitgliedern geschrieben. Aufgrund der vielen Besucher meiner Website wollte ich die Gelegenheit nutzen, unsere Austrittsgründe hier kurz persönlich darzustellen.

2. Informationen in englischer Sprache (aus Japan, USA, Europa) sind meine Hauptquelle. Die japanische und englische Sprachbarriere ist wohl der Hauptgrund dafür, dass viele wichtige Informationen sich nicht verbreiten. Wer bereit ist, ein Buch in englisch zu lesen, kann sich schon auf Shawn Bender's Buch "Taiko Boom" freuen, das im Juli 2012 erscheinen soll.